Paris – New York – Alteiselfing by Ringlstetter Hannes

Paris – New York – Alteiselfing by Ringlstetter Hannes

Autor:Ringlstetter, Hannes [Ringlstetter, Hannes]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München
veröffentlicht: 2015-09-21T16:00:00+00:00


Solo!

Ein Jahr später saß ich wieder oder immer noch in einer Wohnung über dem Donauufer in der Provinzhauptstadt. Ich hatte keine Auftritte, da keine Band, ich hatte ein paar Gitarren rumstehen, in meinem Schwippschwager einen guten Freund als Tür-zu-Tür-Nachbarn, ein Klavier im Gang, das sich immer mehr verstimmte, eine psychisch bedenkliche Vermieterin, eine glücklich-unglückliche Liebe, eine Küche, ein Schreibbuch, ein paar Stifte, keine Kohle und auch keine Träume mehr. Gestrandet nach meinem Rock-’n’-Roll-Rendezvous, Tausende von CDs irgendwo eingelagert, mit einem teuren Steuerberater, der die GdbRs und die GmbH abwickeln musste, einem leprakranken Konto bei der Volksbank, einem abgeschlossenen Studium, einem Volontariat beim Fernsehen und dem Hinweis diverser Gutmeinender in der Tasche: Ja, dann mach halt Fernsehen. Das hat doch immer gut geklappt.

Und: mit ein paar Kontakten im Computer und irgendwie einem Klassiker des Rock ’n’ Roll im Großhirn: Sänger, deren Bands sich auflösen, machen eine Solokarriere. So. Also, was hilft’s. Ohne meine Freunde, den ersten Zuschuss von meinen Eltern mit Mitte dreißig (auch nicht schön), der einen oder anderen Frau und unfassbar viel Zeit zum Nachdenken und Verändern wäre ich wohl nicht noch einmal losgezogen, hinaus auf die Bühnen. Noch mal alles von vorn. Reset. Auf geht’s. Again. Zigeunerleben. Ochsentour.

Diesmal also alleine, ohne meine Räuberkameraden, ohne den Familienersatz »Band« und vermutlich ohne irgendwelche Vorschüsse oder Verträge. Aber im Wissen, nichts lieber zu tun und nichts wirklich besser zu können im Leben, als auf Bühnen Menschen zu unterhalten, und mit dem Willen, diesmal die Kurve Richtung Existenz hinzubekommen.

Die Regel »Man tritt nur auf, wenn im Publikum mehr Menschen sind als auf der Bühne« war jetzt jederzeit erfüllbar. Denn zwei (!) Leute sollten doch mindestens kommen, wenn mein Name auf Plakaten steht, und ich nehme das vorweg: Ich habe, seit ich solo unterwegs bin, nur noch einmal eine Veranstaltung wegen zu wenig Besuchern absagen müssen, aber da lag es nicht an mir, sondern am Veranstalter. So.

Ich würde in meinen Škoda Fabia meine Gitarre hinten reinschmeißen, mir für weite Strecken eine BahnCard 50 zulegen und erst mal drei Jahre für im Durchschnitt 120 Euro pro Auftritt wie ein Vertreter in eigener Sache unterwegs sein müssen. Bis zu zweihundert Mal im Jahr, von Kufstein bis Kiel, von Garmisch bis Gera, von Wien bis Wangerooge. Mix Shows. Mix Shows. Mix Shows. Und vielleicht bald auch mit einem eigenen Soloabend.

Das war der Plan oder der letzte Ausweg, wie immer man es nennen mag, ich habe mir ein Jahr Zeit gegeben, dieses Vorhaben in einen Beruf umzusetzen. Mitte dreißig wird’s dann doch Zeit. Diesmal musste es klappen, wenn nicht, dann: Stellenanzeigen checken, Marketingabteilung. Zurück ins System.

Doch von wo aus sollte ich eigentlich starten? Irgendwo muss man doch erst mal ankommen und so etwas wie einen Erfolg aufbauen, damit man wieder losziehen kann. In der Provinzhauptstadt hatte ich das an die Wand gefahren, also Wien? München? Weggehen aus der Provinz musste ich auf jeden Fall. Verbrannte Erde. Verbrannte Seele.



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